Benutzerspezifische Werkzeuge

Sie sind hier: Startseite
Sie sind hier: Startseite / Sektionen / Entomologie / Schmetterlinge / Das Kleine Nachtpfauenauge - unser "Haustier" / Fressen, fressen, fressen ... Das Raupenstadium

Fressen, fressen, fressen ... Das Raupenstadium

Die Raupenstadien

Die Raupen des Kleinen Nachtpfauenauges durchlaufen 5 Raupenstadien. Insgesamt dauert die Entwicklung vom Schlüpfen aus dem Ei bis zur Anfertigung des Kokons unter Zuchtbedingungen (d.h. optimale Futterversorgung und Raumtemperatur) ca. 5 Wochen, also im Schnitt eine Woche je Raupenstadium. Die Besonderheit bei den Raupen des Kleinen Nachtpfauenauges: Mit jeder Häutung wechseln sie ihre Färbung. Die folgenden Bilder zeigen die fünf Raupenstadien L1, L2, L3, L4 und L5.

 

Variationsbreite der Färbung

Gerade in den letzten beiden Raupenstadien kann die Schwarzfärbung (Melanisierung) der Raupen erheblich variieren. Zudem existieren zwei offenbar genetisch getrennte Formen (die Eigenschaften sind erblich, wie in unserem aktuellen Artikel in "Entomologie heute" beschrieben): Form 1: Raupen mit Warzen, die von zitronengelb bis orange variieren und Form 2: Raupen mit Warzen, die weiß bis rosa-violett variieren. Auf den folgenden Bildern sehen Sie die Variationsbreite der Raupen in Stadium L5:
 

Pavonia RaupenRaupenvariantengrüne Raupe

 

Das Bild links zeigt von oben nach unten die Raupen der Form 1 mit gelben bis orangen Warzen und die Raupen der Form 2 mit weißen bis rosa-violetten Warzen (alle Raupen mit der häufigsten Form der Schwarzfärbung, "schwarze Bänderung"). Das Bild in der Mitte zeigt eine sehr dunkel gefärbte Raupe der Form 1 mit orangen Warzen. Diese stark geschwärzte Form tritt in unserer Zucht (alle Tiere stammen aus dem Raum Leverkusen - Haan(Rheinl.) - Wuppertal-West) sehr selten auf (ca. eine Raupe in 100 bis 200 Raupen). Die schwarzen Raupen sollen laut Literaturangaben (Bergmann A. (1953), "Die Großschmetterlinge Mitteldeutschlands", Urania-Verlag, Jena) im Hochgebirge häufig auftreten. Das rechte Bild zeigt eine weitgehend grün gefärbte Raupe aus unserer Zucht. In der Literatur findet man, das ggf. die taktilen Reize (Häufigkeit und Stärke von Berührungen an der Raupenhaut) eine Ursache sein könnte (Hintze-Podufal C. (1977), "The larval melanin pattern in the moth Eudia pavonia and its initiating factors.", Journal of Insect Physiology 23 (6), 731-738). Das Phänomen der unterschiedlichen Melanisierung war Gegenstand eines Forschungsprojekts am Institut für Sinnesökologie an der Universität Düsseldorf. Die Melanisierung wird demnach ganz wesentlich durch die Lichtmenge, die auf eine Raupe einwirkt, beinflusst: je weniger Licht, desto dunkler die Raupe - also gerade umgekehrt, wie bei der menschlichen Haut. Möglicherweise sind dunkle Raupen an schattigen Plätzen durch diese Anpassung besser getarnt, während grüne Raupen an einem sonnigen Platz mit üppiger, grüner Vegation weniger auffallen. Die Ergebnisse sind in einem Artikel in "Entomologie heute" zusammengefasst (hier geht es zum download).

Kann man anhand der Warzenfärbung der Raupen deren Geschlecht bestimmen?

Obwohl dies in mindestens einem historischen Buch (Lutz, K.G. (1889), "Das Buch der Schmetterlinge", Süddeutsches Verlangs-Institut, Stuttgart, Seite 108) behauptet wird (gelbe Warzen in L5: Männchen, orange Warzen in L5: Weibchen), kann man diese Frage ganz eindeutig mit "nein" beantworten.

Für die Form "gelb-orange Warzen" wurde von uns das Geschlechtsverhältnis einmal bestimmt: 46 Raupen wurden optisch nach den Kriterium "gelbe Warzen" und "orange Warzen" getrennt. 24 Raupen hatten eher orange Warzen, 22 eher gelbe Warzen. Das Ergebnis: Aus den Raupen mit gelben Warzen entwickelten sich 12 Weibchen und 12 Männchen, aus denen mit orangen Warzen 13 Männchen und 9 Weibchen. Somit kann man davon ausgehen, dass die Warzenfärbung nicht vom Geschlecht abhängt. Tatsächlich ist hier nur die Belichtung der Warzen nach der Häutung wichtig: Viel Sonnenlicht nach der Häutung ergibt Raupen mit orangen (Form 2: rosa-violetten) Warzen, wenig Licht nach der Häutung (z.B. Nacht, trüber Tag ö.ä.), ergibt Raupen mit gelben (Form 2: weißen) Warzen. Für die Form mit gelb-orangen Warzen wurde dies bereits beschrieben (Long, D.B. (1954): "Factors affecting the Larval Spot Colours of the Emperor Moth, Saturnia pavonia L." Nature 174, 563). Inzwischen konnte am Institut für Sinnesökologie an der Universität Düsseldorf gezeigt werden, dass die Färbung auch von der Wellenlänge des Lichts abhängt. Die "Umfärbung" von gelb nach orange insbesondere nach der Häutung zum letzten Larvenstadium wird durch rotes Licht stark gefördert. Die Ergebnisse sind in einem Artikel in "Entomologie heute" zusammengefasst (hier geht es zum download).


Futterbedarf der Raupen

Häufig haben uns Kinder bei Exkursionen gefragt: "Wie viel fressen die Raupen eigentlich bis sie groß sind?". Um diese Frage nicht mit einem schlichten "viel" beantworten zu müssen, haben wir uns einmal die Arbeit gemacht, den genauen Futterbedarf der Tiere zu ermitteln.

Die Ermittlung des Futterbedarfs der Raupen in den einzelnen Stadien erfolgte über die von den Raupen produzierte Kotmenge in den einzelnen Stadien. Eine Raupe produziert im Durchschnitt insgesamt (also über alle 5 Stadien) knapp 1000 Kotballen mit einem Gesamtgewicht von 3,8 g (Trockengewicht) bis zur Verpuppung.

Der entsprechende Umrechnungsfaktor von Gewicht an getrocknetem Kot auf das Gewicht frischer Weidenblätter wurde exemplarisch für 6 Raupen in den Stadien L4 und L5 ermittelt und beträgt im Mittel 5,8 ± 1,5. D.h. für die Produktion einer Menge von 1 g getrocknetem Kot wurden von 5,8 ± 1,5 g frische Weidenblätter gefressen. Bei einem ermittelten durchschnittlichen Frischgewicht von ca. 0,34 ± 0,05 g je Weidenblatt entspricht dies 17 ± 6 Blättern (also: 1 g Kot = 17 ± 6 Weidenblätter).

Daraus ergibt sich rechnerisch ein Gesamtfutterverbrauch von ca. 65 Weidenblättern pro Raupe. Hiervon benötigt die Raupe 86 % im letzten Raupenstadium. Berücksichtigt man zusätzlich den Gewichtsanteil der mit zuerntenden Weidenzweige, so lässt sich abschätzen, dass man für die Zucht von 100 Raupen in etwa 5 bis 10 kg (!!) frische Weidenzweige mit Blättern benötigt. Das hört sich vielleicht wenig an, ist aber ein ganz beachtliches Volumen. Diese Menge entspricht in etwa einem 2 bis 3 Meter hohen Weidenbusch. Wenn man also zur Massenzucht übergeht, sollte man sich schon mal eine geeignete Futterquelle suchen!

Die genauen Daten sind in der Tabelle dargestellt.

Tabelle Futterverbrauch 

Wehrsekret der Raupen

Bei massiver Störung (z.B. kräftiges Anfassen) sondern die Raupen über die Fortsätze an den Warzen ein klebriges, stark proteinhaltiges Sekret mit charakteristischem Geruch ab. Dabei handelt es sich nicht um Körperflüssigkeit (Hämolymphe), da sich die Proteinzusammensetzung grundlegend von der Zusammensetzung der Hämolymphe unterscheidet. An der Luft färbt sich die Flüssigkeit rasch schwarz. Es konnte bereits gezeigt werden, dass die Flüssigkeit abschreckende Wirkung auf Angreifer hat (Deml, R., Dettner, K. (1990): "Chemical Defense of Eudia (Saturnia) pavonia Caterpillars", Naturwissenschaften 77, 588-590).

Raupensekret


Zurück zur Seite "Das Kleine Nachtpfauenauge"
Zurück zur Startseite der Entomologischen Sektion